Arthur A. hat geschrieben: ↑Dienstag 21. Juli 2020, 00:36
Habe gerade noch mit einem Kinobetreiber gesprochen, er war sogar froh, dass Tenet nicht im August kommt, und meinte, er würde ihnen im Herbst mehr bringen, wenn Leute sich noch sicherer fühlen.
Ich kann diese Gedankengänge, dass in ein paar Wochen oder Monaten dies und das möglich sein wird und die Zuschauer wieder vertrauensvoller ins Kino strömen werden, leider gar nicht nachvollziehen.
Nichts weist darauf hin, dass wir immer mehr lockern und uns immer freier verhalten können und die Infektionszahlen stabil bleiben oder gar weiter sinken.
Und dafür muss man nicht in die Katastrophenländer wie die USA und Brasilien schauen, es reicht der Blick innerhalb Europas: Viele europäische Länder, die wie Deutschland auf einem guten Weg waren, haben in der letzten Zeit wieder ansteigende Zahlen zu verzeichnen und als Folge davon wieder mehr oder weniger strenge Maßnahmen verhängt. Und hierzulande hatten wir jetzt 2 Tage in Folge Zahlen von um die 800, soviel wie zuletzt im Mai, und das ohne einen isolierten Großausbruch wie bei Tönnies.
Es ist relativ deutlich, dass einer der letzten Lockerungsschritte bzw. das zunehmend normalere, freiere Verhalten der Menschen, zuviel ist. Und obwohl die Urlaubs-Rückreisewelle erst am anlaufen ist, poppen bereits überall die Fälle auf, die mit Auslandsreisen im Zusammenhang stehen. Dazu muss man nach den Sommerferien in irgendeiner Form einen Schulunterricht hinkriegen, wovon man nicht weiß, was das auslösen wird und welche Einschränkungen man ggf. an anderer Stelle braucht, damit die Lage trotzdem kontrollierbar bleibt.
Vom Herbst, vermehrten Innenaktivitäten und weniger Lüftungsmöglichkeiten aufgrund Kälte gar nicht zu reden.
Ich fürchte, dass in der Tat
im Moment noch die relativ beste Zeit für Kino (sowie auch generell) ist bzw. die relativ beste Zeit sogar schon hinter uns liegen könnte...
Ich würde mich ja wirklich darüber freuen, wenn es eine Studie gäbe, die mich davon überzeugen kann, aber diese ist es leider nicht.
Einige Haken, die ich da sehe:
"Da bei einem Kinobesuch in der Regel nicht gesprochen wird, während im Büroalltag Gespräche stattfinden,"
Im Kino wird durchaus vor dem Film geredet, und evtl. während der Werbung - dann gerade besonders laut, um den Ton der Spots zu übertönen. Und bei lustigen Filmen wird gelacht. Wurde das einbezogen oder wurden einfach geschlossene Münder während des gesamten Aufenthalts im Kinosaal angesetzt?
"liegt die Aerosolkonzentration bei den schweigenden Besuchern in den Kinosälen immer noch deutlich unter der Konzentration, der die sprechenden Büromitarbeiter bei nur einem Infizierten ausgesetzt sind"
Die relative Aussage, dass die Konzentration unter der im Büro liegt, sagt aber immer noch nichts darüber aus, ob die absolute Konzentration ausreicht, damit eine Ansteckungsgefahr besteht.
Man scheint hier davon auszugehen, dass die meisten Menschen wieder bedenkenlos in Büros mit mehreren oder gar vielen Personen gehen und daraus dann schließen, dass dann ja auch Kino OK ist.
Fakt ist allerdings, dass nach wie vor sehr viele Menschen nicht ins Büro gehen, da viele Firmen immer noch im strikten Home-Office sind, eben weil sie Präsenzbüros für zu riskant halten. Und wenn Büros geöffnet sind, gelten dort strenge Maßnahmen wie etwa wochenweiser Schichtbetrieb. Dazu kommt noch, dass ich die Leute im Büro wenigstens kenne, einschätzen kann, wie sie sich verhalten und vielleicht sogar weiß, dass mein Arbeitgeber alle Risikogebiet-Rückkehrer in Quarantäne schickt oder testen lässt.
"Bei dem in den Kinos vorherrschenden Belüftungstyp handelt es sich um eine sogenannte Quelllüftung"
"Vorherrschend" ist eine schwammige Formulierung. Wie viele Kinos haben sie? Und welche? Wie finde ich das für das Kino meiner Wahl heraus?
Und dann wird zum guten Schluss diese Studie nicht dafür verwendet, zu belegen, dass es aktuell sicher ist, sondern für die Forderung, den 1,5-m-Abstand fallen zu lassen, ohne dass man irgendeinen Nachweis dafür hat, dass das dann (immer noch) sicher wäre. Insbesondere nicht nur kollektiv, sondern individuell, wenn nämlich direkt nebenan der Infizierte sitzt.
Dabei ist die geringe mögliche Saalbelegung es, wie hier ja auch schon festgestellt wurde, nicht das große Problem der Kinos, sondern dass die Leute nicht kommen und die verfügbaren Kapazitäten in den meisten Fällen nicht einmal ausgeschöpft werden können.
In der Kommentarspalte einer Zeitung, wo diese Studie erwähnt wurde, wurde sie übrigens schon als Gefälligkeitsgutachten im Auftrag der Kinobranche für die Kinobranche eingestuft...
Ich finde es nicht empfehlenswert, die Studie an die große Glocke zu hängen und die Aufhebung des Mindestabstands weiter zu forcieren. Wie oben erläutert, bewegen wir uns auf dünnem Eis, das zudem noch immer dünner wird. Man sollte eher froh sein mit dem, was aktuell geht, solange es geht.
Es wird noch früh genug auf die eine (verordnete Schließungen) oder andere (Komplettrückzug der Menschen aus Angst) Weise damit vorbei sein.
Mara