"And so it begins..." - GANDALF
Produzentin Lynda Obst und der bekannte theoretische Physiker Kip Thorne arbeiteten schon 1997 bei dem auf der gleichnamigen Vorlage von Carl Sagen basierenden Film CONTACT zusammen. Ursprünglich (2006) war Steven Spielberg als Regisseur vorgesehen, der wiederum Christopher Nolans Bruder Jonathan beauftragte, ein Drehbuch zu entwerfen, das die "exotischsten Ereignisse des Universums" (i.e. Wurmlöcher, Schwarze Löcher, Raumzeit) aus Thornes Büchern thematisieren sollte. Außerdem war Christopher Nolan bekennender Befürworter der NASA und deren Zielen, und daher betrachtete er auch die Einstellung des Space-Shuttle-Programmes und die Kürzung der Geldmittel für zukünftige Missionen mit Sorge. Als Spielberg dann mit DreamWorks 2009 von Paramount zu Disney wechselte und andere Projekte priorisierte, war auch ein neuer Kapitän gefragt, und auf Empfehlung seine Bruders übernahm dann Christopher Nolan das interstellare Ruder. Und dessen Filmkarriere war (nach eigenem Bekunden) von seinem großen Vorbild 2001 wohl ähnlich stark geprägt wie die von Peter Jackson durch KING KONG...
Und in dieser kurzen Vorgeschichte sind wohl auch schon einige fundamentale Eckpunkte veranlagt, denen der Film geradezu "bestimmungsgemäß" folgt...
"Crisis? What Crisis?" - SUPERTRAMP
In einer nicht allzu fernen Zukunft geht es der Menschheit nicht gut. Behauptet man zumindest, denn die erkennbaren Auswirkungen einer nie wirklich erklärten "Umweltkatastrophe" dürften den Bewohnern realer Trocken- und Hungerzonen relativ alltäglich und unspektakulär erscheinen. Um so bemerkenswerter sind die gezogenen Konsequenzen. Technik, Forschung, Medizin, Rüstung, Militär, und Bildungssysteme, werden zu "Teufelszeug" erklärt, selbst die Geschichte wird gefälscht, um von nun an alle vorhandenen Ressourcen in der Nahrungsmittelversorgung zu bündeln, sprich: den ganzen nordamerikanischen Kontinent in ein geschlossenes Maisfeld zu verwandeln. Ob sich diese Katastrophe nur unter dem Sternenbanner manifestiert, oder ob sich andere Nationen der Welt mit Vieh- oder Fischzucht (oder Soylent-Green-Varianten) vielleicht etwas kreativer aus der Affäre ziehen, bleibt irrelevant. Statt Alternativen zu erforschen werden alle Mittel also ausgerechnet in jenes Gut konzentriert, dass offensichtlich die geringsten Zukunftschancen hat... zumindest offiziell...
Und in diesen Tagen schlendert Cooper - einst war er ein berühmtes Flieger-Ass der NASA, aber auch er wurde zum Farmer umgeschult - über die Maisfelder seiner Farm (in Kansas?), und stolpert dabei zufällig über eine NASA-Basis, deren Lage scheinbar ähnlich geheim und unauffindbar ist, wie der Standort von "Area 51" oder "Avalon". Und entgegen der vorherrschenden politischen Vorgaben blieb die NASA wohl auch über eine Art "Crowdfunding" erhalten. Die NASA erkennt ihren berühmten Ex-Mitarbeiter zwar erst nach einem misstrauischen Verhör, aber wenn er nun mal grad da ist, dann könnte er doch auch gleich den Pilotensitz einer anstehenden Raummission übernehmen, die den letzten Strohhalm zur Rettung der gesamten Menschheit repräsentiert... und die am nächsten Tag startet. Das ist zugegebenermaßen kurzfristig, und so bleibt Cooper wenig Zeit sein Lieblingskind Murph mit dem Versprechen zu vertrösten, dass "er wieder komme". Und schon am nächsten Tag dringt Coop mit der vierköpfigen Besatzung der "Endurance" in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat...
"So it shall be written. So it shall be done..." - RAMSES
Wenn man ein Bild malt, dann hat man zu Beginn eigentlich zwei kreative Ansätze: Entweder man hat die Vision eines Gesamtbildes, skizziert dies, und modelliert dann nur noch den Detailgrad auf das gewünschte Maß. Oder man hat einige Details, die man auf der vorhandenen Fläche verteilt, und die leeren Flächen werden dann gefüllt um die vorhandenen Details zu verbinden. Und Christopher Nolan hat bei INTERSTELLAR aus meiner Sicht den zweiten Ansatz gewählt:
Die Details waren Kip Thornes theoretische Grundlagen zu Wurmlöchern, Schwarze Löchern und Raumzeit, ein Vater-Tochter-Konflikt, die NASA als Symbol menschlichen Pioniergeistes, und... der überlange Schatten des erklärten Vorbildes 2001, dem in Status, Anspruch, und Relevanz zumindest nachgeeifert werden sollte/musste...
Und genau an diesem etwas eitlen Anspruch hat sich Nolan aus meiner Sicht letztlich selbst überhoben. Er liefert gute kreative Ansätze, eine Reihe wirklich emotionaler Momente, und einige in Inszenierung und Optik großartige Szenen, sowie möglichst viele Referenzen an 2001. Aber es fehlen Konsistenz und Rahmen, die diese Elemente auch zu einer schlüssigen Geschichte verbinden. Faszinierende Objekte wie Black Holes werden vermeintlich gültigen Naturgesetzen unterworfen, nur um diese Regeln dann zu ignorieren, die Vater-Tochter-Beziehung wird sogar in einem 5-dimensionalen "Love-Conquers-All"-Mantra überhöht, nur um dann in einer "2-Minuten-Katharsis" quasi als Randnotiz zu verkommen. Und wo Kubrick beispielsweise einfach Fragen offen lässt, die sich der Kinobesucher ganz persönlich beantworten muss, predigt Nolan persönliche Botschaften. Von einem Bestimmungs-Modell, an dessen glorreichen Ende sich eine Menschheit, die gerade eben noch beinahe im eigenen Dreck erstickt wäre, gönnerisch selbst auf die Schultern klopfen kann. Und von Heldensagen des menschlichen Pioniergeistes. Aber während dies beispielsweise von Philip Kaufman in THE RIGHT STUFF wunderbar differenziert thematisiert wurde, wird in INTERSTELLAR die Plausibilität einer eitlen Gung-Ho!-Propaganda geopfert...
"My God, it's full of stars!" - DR. DAVID BOWMAN
Und so wird Christopher Nolan am Ende vielleicht von seinen eigenen Ansprüchen/Maßstäben eingeholt. Und von "Murphy's Gesetz", das (im Gegensatz zu Nolas Behauptung) ja bedeutet: "Wenn etwas schief gehen kann, das wird es irgendwann auch schief gehen".
Hätte sich Nolan auch mit seinem Finale am großes Vorbild Stanley Kubrick orientiert, dann hätten auch hier wohlgesonnene Außerirdische ein Wurmloch satt eines schwarzen Monolithen im Sonnensystem platziert - quasi als "Starthilfe" für eine junge und unvernünftige Menschheit, die erst noch lernen, sich entwickeln, und ihren selbstbestimmten Weg in eine bessere Zukunft finden muss... und alles wäre gut, übersichtlich, und auch plausibel geblieben. Aber Nolans Eitelkeit verlangte nach mehr. Also muss sich hier die idealisierte Menschheit einer fernen Zukunft quasi selbst zum Retter (und Geretteten) krönen. Dies wird aber dadurch erkauft, dass man sich einem deterministischen Modell unterwirft. Aber während ein James Cameron in TERMINATOR z.B. seiner Menschheit zumindest die "Gnade des Vergessens" (Atomkrieg) gewährt, so dass die Protagonisten gar nicht wissen, wie sie Goldhamstern gleich am Rad eines unendlichen Kreislaufes drehen, wird diese traurige Erkenntnis in INTERSTELLAR sogar gefeiert. Wenn Coop seine Stay-Botschaft an Murph sendet, dann ist das im Kontext der Situation Unsinn, denn er MUSS WISSEN, dass diese Botschaft seinerzeit von Murph verstanden und von ihm selbst ignoriert wurde. Und wenn TARS die Koordinaten der NASA-Basis sendet, MUSS auch dessen logischer Verstand erkennen, dass diese überflüssigen Koordinaten nicht zur "Weltenformel" der Gravitation beitragen. Die Akteure werden zu willigen Marionetten eines vorbestimmten Schicksals. Und auch die propagierten großen Fragen, "was ist wichtiger, die Liebe zu den eigenen Kindern, oder die Rettung der gesamten Menschheit?" sind rückwirkend keine freien Entscheidungen mehr, sondern der Determinismus "einer Welt am Draht". Und damit verlieren derartige Entscheidungen auch ihren intellektuellen "Wert", indem sie zu reinen Mechanismen reduziert werden.
Und analog zur Vater-Tochter-Beziehung symbolisiert auch INTERSTELLAR selbst ein großes Versprechen, das zwar auch eingehalten wird, aber es fühlt sich unmittelbar nach dem Abspann irgendwie "leer" an. Aber vielleicht wird die Relativitätstheorie für einige Kinobesucher ja genau dadurch begreifbar, dass 168 Minuten für den einen schneller vergehen können als für einen andern...